Als wir damals im Mai 2017 in Griechenland auf der Station zu Besuch waren, um Aufnahmen für den Film über APN zu drehen, waren wir allesamt überwältigt. Mitanzusehen, wie viele tolle Hunde dort gleichermaßen liebevoll umsorgt wurden, war wirklich beeindruckend. Unterstützt von sommerlichen Temperaturen fühlte sich kein Drehtag wirklich wie »Arbeit« an.
Neben den Aufnahmen gab es auch reichlich Zeit, sich umzusehen und die einzelnen Hundegruppen zu besuchen. Das eine Gehege besuchte ich erst spät am vorletzten Tag. Die Hunde dort waren fast allesamt sehr neugierig, verspielt und zugänglich – bis auf eine Hündin, die sich sehr ängstlich und zurückhaltend zeigte.
Die helle und recht schlanke Hündin bewegte sich meist abseits des Rudels und ging auch den Menschen aus dem Weg. Nach einer knappen Viertelstunde schien ihre Neugierde aber doch größer zu werden als die Scheu. Sie bewegte sich sehr langsam (und immer wieder mit ein paar Schritten zurück) auf mich zu. Meine Kollegen, die schon eine Weile zuvor in das Gehege gegangen sind, wunderten sich auch über das plötzliche Interesse der Hündin am Menschen.
Die Adoption erfolgte zwei Monate später.
Am 3. Juni 2017 fuhr dann der Transporter mit den Hunden auf dem Parkplatz eines Baumarktes am Rande Hamburgs vor. Die tapferen Fahrer, die sich für die Dauer der Fahrt abgwechselt hatten, übergaben mir Baria mit einem Lächeln und fuhren dann auch schon wieder weiter.
Die Rückfahrt war sehr unruhig, sowohl auf meiner als natürlich auch auf Barias Seite. Daheim angekommen verweigerte sie sich zunächst komplett und wollte keinen Meter gehen. Die Haustür wollte sie ebenfalls nicht durchqueren, ganz zu schweigen von den circa 30 Stufen (3. Stock), die sie bis zur Wohnung erklimmen müsste. Ich trug sie hoch und gab ihr in der Wohnung dann erst mal etwas zu essen und überließ ihr mein Bett, damit sie die lange Fahrt verarbeiten und sich ausschlafen konnte. Man merkte ihr an, dass sie total überfordert war.
Auf dem Weg zur ersten Gassirunde waren wir mit den gleichen Komplikationen konfrontiert. Das Herabgehen der Treppe dauerte knapp 45 Minuten. Pro Stufe musste ich sie mit einem Leckerli locken und ihr die Angst nehmen.
Jenseits der Haustür gestaltete es sich nicht besser. Baria konnte mit all den neuen Eindrücken gar nicht umgehen und wäre am liebsten einfach im Gebüsch stehen geblieben.
Das gesamte erste Jahr war stellenweise wirklich furchtbar und von Rückschlägen geplagt. Es gab auch einen schwachen Moment, an dem ich daran dachte, Baria wieder herzugeben. Die Aufgabe, sie hier an diese Umgebung der Großstadt zu gewöhnen, erschien mir zu groß.
Zugegebenermaßen hätte es für sie auch deutlich leichter sein können. In meiner ländlichen Heimat merkt man sofort, dass ihr das ruhigere Umfeld mit vielen Wäldern und Feldern deutlich mehr zusagt. Sie wirkt befreiter, weniger von der Angst belastet, dass ihr etwas passieren könnte.
Aufgegeben hatte ich nicht; und am wenigsten hatte ich Baria aufgegeben. Es ist auch heute noch, nach knapp zwei Jahren, ein täglicher Kampf. Ihre Schreckmomente sind weiterhin da, aber es ist kein Vergleich zum Anfang. Wenn sie vor einer wehenden Folie oder großem Müllcontainer Angst hat und sich nicht nähern möchte, machen wir daraus einfach eine Art »Mutprobe«. Für ein leckeres Würstchen lohnt sich es dann noch meistens!
Ein Hund aus dem Tierschutz ist immer auch ein bisschen wie eine Wundertüte, dessen ist sich wohl jeder bewusst, der sich für diesen Weg entscheidet. Es ist leichter gesagt als getan, aber man sollte sich an den guten Momenten orientieren. Die Fortschritte, die der Hund mithilfe der Menschen an seiner Seite macht, sind ungemein motivierend. Auch wenn sich das Verhältnis zwischen Erfolg/Misserfolg zu Beginn vielleicht eher zum Negativen darstellt, sollte man niemals aufgeben.
Mittlerweile haben wir uns schon ziemlich gut aufeinander eingespielt. Auch meine eigene Entwicklung, die ich aufgrund von Baria genommen habe, wird mir immer wieder attestiert. Früher war ich ein sehr ungeduldiger Mensch, der nun quasi »keine andere Wahl« hatte, als eben diese Geduld zu entwickeln. Ich gehe mit einer ganz anderen Ruhe und Ausstrahlung durch die Straßen, wenn sie an meiner Seite ist.
Sie im täglichen Umgang mit den Kollegen auf der Arbeit zu sehen und zu spüren, wie gut sie der Atmosphäre hier tut, erfreut mich auch immer wieder aufs Neue. Aber auch die Entwicklung bezüglich des Menschenkontakts ist immer wieder verwunderlich. Früher war sie sehr unsicher und skeptisch – mittlerweile ist sie viel offener und freut sich über Streicheleinheiten. Sie sucht die Nähe zu den Menschen, denen sie vertraut. So passiert es gerne mal, dass sie bei Kollegen unter dem Schreibtisch liegt und ich sie erst mal suchen muss!
Meinerseits lässt sich sagen, dass sich der Weg gelohnt hat, egal wie groß auch die Probleme gewesen sind oder zukünftig noch sein werden. Nicht zuletzt ist jeder Hund anders, mit eigenen Stärken und Schwächen. Die einen kommen gut zurecht, die anderen weniger und benötigen mehr Zeit und Führung durch den Menschen. Es gibt viele Dinge, auf die einen kein Ratgeber der Welt und kein gut gemeinter Tipp vorbereiten kann. Das sollte man aber auch akzeptieren.
Abschließend noch ein großes Danke an jeden bei Animal Pard Net. Ich hatte das Glück, einen ausführlicheren Blick hinter die Kulissen und in die tägliche Arbeit vor Ort auf der Station zu bekommen. Auch im wiederkehrenden Kontakt mit der Vermittlung wurde mir bewusst, dass ich nicht alleine bin. Was dort Tag für Tag geleistet wird, ist mit Worten nicht zu beschreiben und verdient den größten Respekt. Die Hunde haben eine schöne Zukunft in einem glücklichen Zuhause verdient und dank der Menschen bei APN haben sie auch die Chance auf eine solche Zukunft.